Pymander zu Hermes, Vers 30-61, Kommentare aus der Ägyptischen Ur-Gnosis
In den Versen 30-61 des Corpus Hermeticum stellt Hermes Fragen an Pymander nach dem Schöpfer aller Dinge, den unsterblichen und den sterblichen Wesen, dem rechten und dem linken Pfad.
30. Denn die Liebe und die Verschmelzung der Gegensätze und der Ungleichheiten sind Licht geworden, ausstrahlend durch die offenbarende Kraft Gottes, des Schöpfers alles Guten, des Herrschers und Fürsten der gesamten Ordnung der sieben Welten.
31. Sieh den Mond, den Vorläufer all dieser Welten, das Werkzeug des natürlichen Wachstums, der die Materie hier unten umwandelt.
32. Sieh die Erde in der Mitte des Alls, als Grundlage dieser schönen Welt erschaffen, Ernährerin und Versorgerin für alles, was auf ihr lebt.
33. Achte darauf, wie zahlreich die Menge der unsterblichen Wesen ist und wie groß die Menge der Sterblichen, und sieh, wie zwischen den Unsterblichen und den Sterblichen der Mond seine Bahnen zieht.
Kommentar Ägyptische Urgnosis Bd. 1: Ist die wahre Intelligenz eine Gruppeneinheit?
Das Allgeoffenbarte ist also eine herrliche und schöne Gruppeneinheit (…) eine Einheit der wahren Intelligenz in vollkommener Freiheit, das goldene Mosaik der freien Seelen; die Einheit des Lichtes, die Einheit der göttlichen Wirklichkeit des siebenten Strahles, die Einheit und Wirklichkeit des vollkommenen Siebenlichtes. Ägyptische Urgnosis Band 1, S. 248
34. Alles ist erfüllt von Seele, alle Wesen werden nach ihrer eigenen Art bewegt; einige im Himmel, einige auf der Erde. Die nach rechts gehen müssen, gehen nicht nach links, die auf der linken Seite sein müssen, gehen nicht nach rechts; die oben sein müssen, gehen nicht nach unten; die unten sein müssen, gehen nicht nach oben.
Kommentar Ägyptische Urgnosis Bd. 1: Der rechte und der linke Pfad
Der rechte Pfad ist der Weg des positiven, bewussten gottsuchenden Lebens, der Weg der Ich-Ersterbung, der Seelengeburt und schließlichen Befreiung. Der linke Pfad ist der Weg des von Gott hinwegführenden Lebens, der Weg der Täuschung, der Blindheit und des Wahns.Ägyptische Urgnosis Band 1, S. 249/250
Alle lebenden Körper sind beseelt
35. Dass alle diese Wesen erzeugt sind, darauf brauche ich dich, mein geliebter Hermes, nicht mehr hinzuweisen: Es sind Körper, sie besitzen eine Seele, und sie werden bewegt.
36. Alle diese Wesen können jedoch unmöglich eine Einheit werden ohne jemanden, der sie zusammenfügt. Diesen muss es also geben! Und er muss absolut der Einzige sein.
37. Denn da die Bewegungen verschieden und mannigfaltig und auch die Körper nicht gleich sind, während doch eine Geschwindigkeit allen gemeinsam auferlegt ist, kann es nicht zwei oder mehrere Schöpfer geben.
38. Gäbe es mehrere, dann könnte die Einheit der Ordnung nicht bewahrt werden, und es würde Eifersucht entstehen um den Mächtigsten.
39. Angenommen, es gäbe einen zweiten Schöpfer für die veränderlichen und sterblichen Wesen, dann würde dieser auch unsterbliche Wesen erschaffen wollen und der Schöpfer der unsterblichen Wesen auch sterbliche Wesen.
40. Außerdem, wenn es zwei Schöpfer gäbe, und es ist da einerseits Materie und andererseits die Seele, welchem von beiden sollte da die Schöpfung gehören? Und falls sie beide dafür sorgen würden, wer sollte den größten Anteil daran haben?
41. So wisse denn, dass jeder lebende Körper, sowohl der unsterbliche als auch der sterbliche, sowohl der vernunftbegabte als auch der vernunftlose, aus Materie und Seele zusammengesetzt ist.
42. Alle lebenden Körper sind beseelt. Was kein Leben besitzt, ist nur Materie, während allein die Seele, die Ursache des Lebens, in den Händen des Schöpfers bleibt. Der Schöpfer der Unsterblichen ist also auch der absolute Schöpfer des Lebens. Ist er dann auch der Schöpfer anderer lebender Wesen, der Sterblichen?
43. Wie sollte das, was unsterblich ist und die Unsterblichkeit erschafft, nicht auch alles erschaffen, was zu den Lebenden gehört?
Kommentar Ägyptische Urgnosis Bd. 1: Es gibt nur eine Schöpfung
Im tiefsten Wesen gibt es jedoch nur eine Natur, nur ein Reich. Wir können als Seelenmenschen innerlich keine Trennung vollziehen(…). Ägyptische Urgnosis Band 1, S. 252
Der Schöpfer aller Dinge
44. Es ist also klar, dass es jemanden gibt, der dieses alles erschafft. Dass er der All-Eine ist, bedarf keines Beweises; denn eins ist die Seele, eins ist das Leben, eins ist die Materie.«
45. »Wer ist denn dieser Schöpfer?«
46. »Wer anders als der eine Gott! Wem anders stünde es zu, beseelte lebende Wesen zu erschaffen, als Gott allein? Darum gibt es nur einen Gott.
47. Es ist eigentlich zum Lachen: Wenn du erkennst, dass es eine Welt gibt, eine Sonne, einen Mond und eine göttliche Natur, wieso denkst du dann, dass Gott mehrfach ist?
48. Es ist also Gott, der alle Dinge erschafft. Was ist übrigens Verwunderliches daran, dass Gott das Leben, die Seele, Unsterblichkeit und Veränderung erschafft, da du selbst doch auch viele verschiedene Handlungen verrichtest!
49. Du siehst, du sprichst, du hörst, du riechst, du schmeckst, du fühlst, du gehst, du denkst, du atmest. Es ist doch nicht so, dass der eine Mensch sieht, der andere hört und wieder ein anderer spricht, ein anderer schmeckt, ein anderer riecht, ein anderer geht, ein anderer denkt und ein anderer atmet? Es ist ein Wesen, das dieses alles verrichtet.
50. Nun denn, so sind auch die göttlichen Wirksamkeiten nicht von Gott zu trennen; so wie du kein lebendes Wesen mehr sein würdest, wenn du aufhören würdest, alle Deine Tätigkeiten zu verrichten, ebenso wäre Gott, wenn er seine Tätigkeiten nicht mehr vollbrächte, nicht mehr Gott.
51. Da nun nachgewiesen ist, dass kein Wesen in Untätigkeit bestehen kann, wie viel mehr gilt das für Gott!
52. Wenn es wirklich etwas geben würde, was er nicht erschaffen hat, wäre Gott unvollkommen. Da aber Gott nicht untätig ist, sondern im Gegenteil vollkommen, darum ist er der Schöpfer aller Dinge.
53. Wenn du noch ein wenig aufmerksam bist, o Hermes, wirst du sicher verstehen, dass Gott nur ein Ziel hat, nämlich ins Dasein zu rufen, alles, was im Werden ist; alles, was einst in der Vergangenheit geworden ist; alles, was einst werden wird.
54. Das, mein Geliebter, ist das Leben. Das ist das Schöne, das ist das Gute, das ist Gott.
Kommentar Ägyptische Urgnosis Bd. 1: Abraxas, die verborgene Liebe
Wie arbeitet Gottes Liebe? Nun, die verschiedenen Aspekte des Strahlungsgesetzes bilden zusammen ein einziges Gesetz, eine höhere Strahlungsordnung. Dieses Strahlungsgesetz ist Abraxas, die Liebe, die universelle Sonne, die in allen und allem verborgen ist. Wer sich harmonisch diesem Gesetz der ewigen Liebe fügt, wird seine Seligkeit erfahren(…). Ägyptische Urgnosis Band 1, S. 250
Das Leben ist eins in allen
55. Und willst du das alles aus eigener Erfahrung verstehen, betrachte dann einmal, was in dir geschieht, wenn du erzeugen willst. Tatsächlich ist, was Gott betrifft, die Schöpfungshandlung nicht gleich. Gott empfindet sicher keine wahrnehmbare Freude, und es ist niemand da, der mit ihm zusammenwirkt.
56. Da er ganz allein handelt, ist er in seinen Werken stets innewohnend und ist er selbst, was er erzeugt, sowohl Schöpfer als auch Schöpfung. Denn wenn seine Geschöpfe gelöst von ihm bestehen sollten, brächen sie zusammen und gingen unvermeidlich zugrunde, weil sie kein Leben in sich hätten.
57. Da aber alles lebt und das Leben eins ist, ist Gott gewiss der All-Eine. Andererseits: Da alles, sowohl im Himmel als auch auf der Erde, lebendig ist und das Leben eins ist in allen, ist das Leben von Gott erschaffen und ist das Leben selbst Gott; alles wird ins Dasein gerufen durch die Werke Gottes, und das Leben ist die Vereinigung des Geistes und der Seele.
58. Was den Tod betrifft, so ist dieser nicht die Vernichtung der zusammengefügten Elemente, sondern die Auflösung der verbindenden Einheit.
59. So ist die Ewigkeit das Bild Gottes; die Welt das Bild der Ewigkeit; die Sonne das Bild der Welt und der Mensch das Bild der Sonne.
60. Im Hinblick auf die Veränderung spricht der gewöhnliche Mensch von Tod, weil der Körper aufgelöst wird und das Leben in das Unsichtbare entweicht.
61. Ich erkläre dir jedoch, mein geliebter Hermes, dass die Wesen, die auf diese Weise vergehen, nur transformiert werden; jeden Tag geht ein Teil der Welt ins Unsichtbare hinüber, aber keinesfalls, um entbunden zu werden.
Kommentar Ägyptische Urgnosis Bd. 1: Was ist Transformation?
Er nennt die Veränderung Tod, weil der Körper aufgelöst wird und das Leben ins Unsichtbare entweicht. Doch wie herrlich ist es, dass das Licht zu Feuer wird, damit das, was verbrennt, zu Licht wird! Ägyptische Urgnosis Band 1, S. 252