Emanuel Schikaneder und Wolfgang Amadeus Mozart waren Freimaurer. Schikaneder besaß eine Volksbühne, auf der mit großem Erfolg Singspiele veranstaltet wurden, die meistens aus einem fantastischen, märchenhaften Stoff entstanden. Bei der Zauberflöte gewann er Wolfgang Amadeus Mozart als Komponisten für ein Libretto, das er selbst geschrieben hatte. Die Geschichte hat mehre Quellen, die zum Teil freimaurerischen Ursprungs oder aus Märchen- und Weisheitsgeschichten entlehnt waren. Durch ihre Zusammenarbeit entstand ein Werk, das musikalisch eine Mischung aus verschiedenen italienischen Opernstilen und dem damals so populären Singspiel ist. Sie verbanden in der Handlung einen leichten märchenhaften Stoff mit tiefer Freimaurer-Symbolik zu einer faszinierenden Oper, die schnell über die Wiener Bühnenwelt hinaus bekannt und geliebt wurde.
Liebe auf den ersten Blick
Der Prinz Tamino begibt sich auf die Reise in fremde Länder. Unverhofft trifft er auf die Königin der Nacht, von der er viele wunderbare Geschichten gehört hat. Bei ihrer ersten Begegnung schenkt sie ihm das Bild ihrer Tochter Pamina. Mit einem in Liebe entbrannten Herzen wird er auf die Reise geschickt, um Pamina aus den Händen des ägyptischen Oberpriesters Sarastro zu befreien. Der Lohn dafür soll Pamina selbst sein. Der Prinz macht sich auf den Weg und muss erkennen, dass er erst die Einweihung in die Mysterien durchlaufen muss, um Pamina für sich zu gewinnen. Die Reise endet mit dem Sieg Paminas und Taminos über die Elemente des Feuers und des Wassers. Am Schluss erklingt ein Loblied über die Stärke der Tugenden, die der Schönheit und Weisheit ewige Krone bilden.
Jeder Mensch kann seinen eigenen Zugang finden
So wie sich die Oper aus mehreren Quellen speist, eröffnet sie auch mehrere Möglichkeiten der Deutung. Da ist zuerst das Märchenhafte, in dem der Prinz Tamino das Bildnis der wunderschönen Prinzessin Pamina erblickt, ihr in Liebe verfällt und sie durch viele Abenteuer erringen muss. Da ist aber auch die Geschichte des Kaspers. Als Possenspieler bringt sich der lustige leichtlebige Papageno - diese Rolle beanspruchte Schikaneder für sich - in allerlei gefährliche Situationen, die er dann mit Witz und Bauernschläue auch wieder meistert. Die Oper enthält die uralte Geschichte von Licht und Finsternis, die immer wieder gegeneinander kämpfen. Nicht zuletzt ist dann noch ein ägyptisches Mysterienspiel eingewoben, das jedem tugendhaften Menschen seine hohe Bestimmung vor Augen führt. Verbunden mit der grandiosen Musik führt das bis heute zu einem erhebenden Bühnenerlebnis.
Die Personen sind Aspekte des menschlichen Wesens
Wir möchten hier aber eine andere Betrachtungsweise wählen, die uns erlaubt, all die verschiedenen Ebenen der Geschichte zu einer Einheit zusammenzuführen. Dazu nehmen wir an, dass alle Personen der Zauberflöte verschiedene Aspekte eines Menschen bzw. seines Wesens sind. Es sind die vielen oft widersprüchlichen und verwirrenden Stimmen, die in seinem Wesen auftauchen und ihm bestimmte Erfahrungen ermöglichen.
Sarastro und die Königin der Nacht
Sie sind die großen Gegenspieler in dieser Oper, in deren zorniger Spannung sich die gesamte Handlung entwickelt. Sarastro als Oberpriester der ägyptischen Mysterien braucht die reine tugendhaft menschliche Seele - Pamina -, um sie mit dem reinen Geist - Tamino - (der aus einem fernen fremden Land kommt) zu vereinigen und einzuweihen, damit diese beiden zusammen die neuen Hüter des mächtigen Sonnenkreises werden. Die Königin der Nacht dagegen versucht, ihre Tochter geschickt als Lohn für denjenigen einzusetzen - hier Tamino oder Monostatos - , der Sarastro überwindet und ihr den Sonnenkreis überantwortet.
Die Knaben und die schwarzen Damen
Das sind helfende schicksalsträchtige Kräfte, die immer als Dreieinheit auftreten. Die schwarzen Damen als strafende dunkle Mächte, mal gut und mal böse, und die drei Knaben rein und als Inbegriff der Tugend. Sie lassen sich eindeutig der dunklen oder hellen Seite zuordnen. Dennoch treten die schwarzen Damen auch als Helfer im Tempel auf und unterstützen damit die Absichten Sarastros. Auch sind sie es, die Tamino an die Knaben verweisen und ihn damit direkt vor die Tore des Tempels führen lassen. Die Knaben sind hohe Kräfte der Weisheit und Liebe im Menschen, die vollkommen unabhängig von jeder Polarität zu sein scheinen. Sie sind nur innere Führung und Ausrichtung auf ein hohes Ziel.
Tamino und Pamina
Sie sind Geist und Seele, die beiden Aspekte im Menschen, um die sich die irdischen und himmlischen Mächte unablässig bemühen. Pamina ist als Seele sowohl mit dem göttlichen Licht und den innersten Lichtmysterien verbunden, als auch mit den dunklen Mächten unserer Welt. Sie kann alle Impulse aufnehmen und umsetzen. Nimmt sie die Macht dieser Welt auf, dann wird sie dunkel und boshaft. Nimmt sie das Licht der inneren Mysterien auf, dann wird sie hell und tugendhaft. Sarastro muss sie dem Einflussbereich der Königin der Nacht entziehen, damit sie in seiner Einflusssphäre so rein und tugendhaft wird, dass sie den Prinzen aus dem fernen Land anziehen kann. Wirklich frei und im göttlichem Sinne mächtig wird sie erst wieder werden, wenn sie mit dem Geist Tamino eine Einheit bilden kann und damit alles Dunkle endgültig überwindet.
Monostatos
Monostatos ist eigentlich nur an Ruhm und Macht interessiert. Er paktiert dazu von Fall zu Fall mit allen, die ihm nützlich sein können. Er wird letztlich dafür von allen verachtet und immer wieder bestraft. Von der reinen Seele, von Pamina, wird er angezogen, wobei er in ihrer Nähe seine Dunkelheit besonders stark empfindet. Alles, was er berührt, wird sofort dunkel. Er ist eine der rätselhaftesten Figuren, und es besteht durchaus die Meinung, dass er nur ein Überbleibsel aus der ursprünglichen Geschichte ist, in der Monostatos der „Böse“ war, der der Königin der Nacht den Sonnenkreis stehlen wollte. Mit Sarastro haben die Schöpfer der Zauberflöte aber eine gnostische Ebene des absolut Guten etabliert, gegen die die Königin der Nacht der dunkle Pol der Macht ist. Monostatos bekommt hier eine andere Rolle. Er steht für die dunklen Kräfte unserer Welt, aus denen sich letztlich eine unüberwindbare Standhaftigkeit und Reinheit der menschlichen Seele entwickelt, die Basis für eine höhere Entwicklung ist. Monostatos ist es, der die Königin in den Lichttempel führt und damit seinen und ihren Untergang herbeiführt. Er wird so, obwohl dunkel, zu einem Erfüllungsgehilfen des Lichtes.
Papageno und Papagena
Papageno ist der Aspekt im Menschen, der sich immer mit dem Leben, so wie es ist, zufrieden gibt. Er erstrebt keine Tugenden, um in höhere Welten aufzusteigen. Seine Kleidung lässt ihn als eine Mischung aus Tier und Mensch erscheinen. Er braucht nur seine Papagena, ein bisschen Wein, etwas zu Essen und seine Strohhütte, die ihn vor Regen und Kälte schützt. Er ist der sinnenfreudige Begleiter all der Aspekte im menschlichen Wesen, deren Bestimmung es ist, über die Ebene von Papageno und Papagena hinauszuwachsen, um die großen kosmischen Zusammenhänge zu erkennen und an ihrer Entwicklung mitzuarbeiten.
Der Schluss ist der Beginn
Zum Schluss kommt alles zusammen, was zusammen gehört. Papageno und Papagena sind die beiden Aspekte im Menschen - in seinem mikrokosmischen System - die das Leben in unserer Welt weiterleben und der Welt nur das abverlangen, was sie auch geben kann. Tamino und Pamina hingegen überwinden in der tugendhaften hohen Berufung des Menschen alle Hindernisse, um eine Basis für ein neues, den hohen Tugenden im Menschen geweihtes Leben zu ermöglichen. Sie sind das Fundament einer neuen Welt im Menschen.