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Jacob Böhmes geistige Wirkung

„Man kann nicht umhin, von Jacob Böhme zu sagen, er sei eine Wundererscheinung in der Geschichte der Menschheit und besonders in der Geschichte des deutschen Geistes.“

Das schrieb der idealistische Philosoph Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling. Die kühnen und inspirierenden Gedanken Jacob Böhmes zeigten schon auf seine Zeitgenossen große Wirkung. Das betraf besonders den Landadel und die Ärzteschaft in Schlesien und der Oberlausitz. In Schlesien beeindruckten sie in starkem Maße Abraham von Franckenberg (der Jacob Böhmes erster Biograph wurde) und auch den später berühmten geistlichen Dichter Angelus Silesius.

Zur Rosenkreuzer-Bewegung, die sich ab 1614 stürmisch entwickelte, unterhielt Böhme regen Kontakt. Seine Freunde, zum Beispiel Abraham von Franckenberg und Balthasar Walther, unterstützten ihn dabei mit ihren Beziehungen.

Die Wirkung von Böhmes Schriften im Ausland

Die Theosophie Böhmes verbreitete sich bereits im 17. Jahrhundert in England, in den Niederlanden und in der Neuen Welt (Nordamerika). In England entstand eine breite Böhme-Bewegung. Seine Schriften wurden bereits 1644-1662 ins Englische übersetzt.

Der Naturwissenschaftler Isaac Newton, 1643 geboren, wurde schon in seiner Jugend auf Böhme aufmerksam. Die Erforschung von Newtons Werk hat zutage gefördert, dass eine nachhaltige Wirkung des Schusters Böhme auf den Naturforscher bei der Konzeption seiner Gravitationstheorie bestanden haben muss.

Nach Nordamerika gelangten die Lehren Böhmes durch die englische Gemeinschaft der Quäker unter ihrem Führer William Penn.

Seit 1700 wurden die Schriften Jacob Böhmes von Pierre Poiret in die französische Sprache übertragen. Den Anstoß zu einer Böhme-Renaissance gaben um 1780 die Böhme-Studien des französischen Theosophen Louis Claude de Saint Martin.

Zu den einflussreichen Anhängern von Böhmes Ideen gehörten um 1750 auch der maßgebliche schwäbische Theologe Friedrich Christoph Oetinger sowie um 1800 der romantische Naturphilosoph Franz von Baader. Letzterer bezeichnete Böhme als den "Begründer der Philosophie der Liebe".

In Russland wirkten zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Plädoyers, die Saint Martin und von Baader für Böhme verfassten, auf den Zaren Alexander I., der eine auf religiöse Erweckung gestellte Reform anstrebte.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde die so genannte "geistige Renaissance Russlands" von Denkern wie Wladimir Sergejewitsch Solowjow und Nikolai Alexandrowitsch Berdjajew mitgetragen, die sich stark von Jacob Böhme beeindruckt zeigten. Berdjajew schrieb: "Von den großen deutschen Mystikern habe ich am allermeisten Jacob Böhme geliebt. Er hatte für mich geradezu überragende Bedeutung.“

Einfluss auf die Philosophie

Ganz wesentlich war der Einfluss Böhmes auch für die Entwicklung der Philosophie in Deutschland (Leibniz, Hegel, Schelling, Feuerbach). Und ebenso stark wirkten sich Böhmes Gedanken auf die deutschen Romantiker (Tieck, Schlegel und Novalis) aus. Novalis gab Goethe den Beinamen "Boehme aus Weimar". Goethe selbst interessierte sich für den Görlitzer Theosophen schon seit seinem 18. Lebensjahr. Am stärksten offenbart sich Goethes Beziehung zu ihm im zweiten Teil des Faust (Faust II).

Der geniale Mathematiker Georg Cantor, den meisten bekannt als Begründer der Mengenlehre, ist als ein weiterer Böhme-Begeisterter zu nennen. Er kündigte im Jahr 1900 an der Universität Halle sogar eine Vorlesung über den Quell seiner Begeisterung an, denn er hatte erkannt, dass nicht Sachfragen und ihre Beantwortung durch die Naturwissenschaften unser Innerstes tief bewegen, sondern Sinnfragen, die uns Jacob Böhme beantwortet.

Böhmes geistiges Erbe wirkt auch heute

Böhmes Wirkung setzt sich auch im 20. Jahrhundert und bis in die Gegenwart fort. Rudolf Steiner, Hermann Hesse, Carl Gustav Jung, Leopold Ziegler und andere ließen sich von ihm inspirieren, darunter die Brüder Jan und Zwier Willem Leene, die Gründer des Lectorium Rosicrucianum. In den USA und in Japan ist Böhme wohlbekannt und wird oft sogar im Schulunterricht behandelt.

1995 kam in Frankreich das in viele Sprachen übersetzte Buch des Physikers und Philosophen B. Nicolescu "L'homme et le sens de l'universe. Essais sur Jakob Boehme“ heraus, in dem nachgewiesen wird, dass Böhme Vorstellungen der Quantenmechanik und moderne Auffassungen vom Weltall vorweggenommen hat.

"Das geistige Erbe Jakob Böhmes verpflichtet, obwohl es kein Zurück zu Böhme geben kann. Der Philosophus teutonicus aber hat eine Realität der inneren und äußeren Welt bezeugt, die in jeder Zeit neu gesucht und erkannt werden muß.“ (Gerhard Wehr)


Quellen:

  • Wehr, Gerhard: Jakob Böhme. Reinbek 1971, rororo-Monographien.
  • Ferstl, Frank: Jacob Boehme – der erste deutsche Philosoph. Berlin 2001
  • Böhme-Forum Görlitz